Hier finden Sie die neuesten Leitsätze zu Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hamm.
Die Entscheidungen werden in der Regel im Volltext in der Rechtsprechungsdatenbank NRW-E veröffentlicht.
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8 Ta 6/23 (14.03.2023)
Streiten die Parteien eines Arbeitsverhältnisses nach vorausgehender Titulierung des Anspruchs auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis nur noch über die Modalitäten der Leistung, etwa über den Leistungsort, dann ist der Gebührenstreitwert im Regelfall nicht nach dem Monatseinkommen, sondern nach dem insoweit begründeten wirtschaftlichen Interesse der klagenden Partei zu bemessen.
14 Ta 35/23 (13.03.2023)
Zwar ist nach der auf den ursprünglich gestellten Antrag hin erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des nachfolgenden Abschlusses eines Mehrvergleichs ein neuer Antrag erforderlich. Dieser kann aber von der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auch konkludent gestellt werden. Ein solcher konkludenter Antrag kann regelmäßig den Erklärungen der Partei im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO im Wege der Auslegung entnommen werden.
Ein konkludenter Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf einen Mehrvergleich liegt noch nicht vor, wenn die Partei vor der Bewilligungsentscheidung mitteilt, dass ein Vergleich beabsichtigt ist, ohne auf einen Mehrvergleich hinzuweisen.
8 Ta 275/22 (13.03.2023)
Wendet sich ein Arbeitnehmer, der als Lehrer an einer privaten Ersatzschule in einem beamtenähnlich ausgestalteten Planstelleninhaberverhältnis zu deren Träger steht, gegen seine auf Dienstunfähigkeit gestützte vorzeitige Versetzung in den Ruhestand, so bemisst sich der Gebührenstreitwert mangels der von § 42 Abs. 2 S. 1 GKG vorausgesetzten besonderen Schutzbedürftigkeit nicht nach dem Vierteljahresverdienst, sondern in Anlehnung an die für beamtenrechtliche Streitigkeiten geltenden Maßstäben des § 52 Abs. 6 GKG.
12 Ta 233/22 (08.02.2023)
Ein Titel, der zur Erteilung einer „ordnungsgemäßen“ Abrechnung nach § 108 GewO verpflichtet, ist bestimmt genug und daher zur Zwangsvollstreckung geeignet (Abgrenzung zu LAG Hamm, 24.06.2019 – 12 Ta 184/19).
14 Ta 377/22 (30.01.2023)
Rundfunk- und Fernsehgebühren sind als besondere Belastung im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens der Partei, welche Prozesskostenhilfe beantragt hat, zu berücksichtigen.
14 Ta 210/22 (30.01.2023)
Rundfunk- und Fernsehgebühren sind als besondere Belastung im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens der Partei, welche Prozesskostenhilfe beantragt hat, zu berücksichtigen.
8 Ta 232/22 (27.01.2023)
1. Wird ein arbeitsgerichtliches Urteilsverfahren durch einen Prozessvergleich erledigt, erfolgt die Festsetzung des Verfahrens- und Vergleichswerts regelmäßig auf der Grundlage des § 32 Abs. 1 RVG iVm. § 63 Abs. 2 GKG (im Anschluss an LAG Hamm, Beschluss vom 28. April 2006 – 6 Ta 95/06).
2. Streiten die Parteien zugleich über ein Zwischen- und ein Endzeugnis bzw. wird in einem Prozessvergleich zu beiden Zeugnisvarianten eine inhaltlich korrespondierende Regelung getroffen oder letztlich nur die Erteilung eines Endzeugnisses vereinbart, dann ist der Wert insoweit nach dem kostenrechtlichen Streitgegenstandsbegriff regelmäßig auf insgesamt ein Monatseinkommen festzusetzen. Denn der gesamte Zeugniskomplex bzw. beide Zeugnisvarianten betreffen bei wirtschaftlicher Betrachtung dann ein einheitliches Interesse.
8 Ta 128/88 (24.01.2023)
1. Der im Sinne eines sogenannten Schleppnetzantrags neben dem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG angekündigte allgemeine Feststellungsantrag gem. § 256 Abs. 1 ZPO geht nach §§ 39 Abs. 1, 42 Abs. 2 S. 1 GKG wertmäßig im Ansatz des Vierteljahresverdienstes auf, wenn mit diesem kein weiterer Beendigungstatbestand angesprochen wird.
2. Soweit neben dem Antrag nach § 4 S. 1 KSchG hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Bestandsschutzbegehren ein Abfindungsanspruch auf tarifvertraglicher Grundlage verfolgt wird, kommt ein Wertansatz wegen des Hilfsantrags gem. § 45 Abs. 1 S. 2 GKG regelmäßig nur dann in Betracht, wenn über diesen Antrag gerichtlich entschieden wird.
3. Gelangt ein solcher Hilfsantrag wegen des Obsiegens mit dem Hauptantrag hingegen nicht zur Entscheidung, ist der Hilfsantrag auch dann nicht gem. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG bei der Bildung des Gesamtwerts zu berücksichtigen, wenn dessen Einzelwert den Wert des beschiedenen Hauptantrags übersteigt.
4. Soweit bei der Bemessung des für die Gerichtsgebühren nach §§ 63 Abs. 2, 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 S. 2 GKG festzusetzenden Gesamtwerts ein unbeschiedener Hilfsantrag außer Ansatz zu bleiben hat, ist dieser Wert wegen des in § 32 Abs. 1 RVG begründeten Abhängigkeitsgrundsatzes regelmäßig auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren maßgeblich. Für die abweichende Festsetzung eines den Einzelwert des Hilfsantrags einschließenden höheren Wertes auf der Grundlage des § 33 Abs. 1 RVG verbleibt dann kein Raum.
8 Ta 254/22 (06.01.2023)
1. Ein neben dem Kündigungsschutzantrag nach § 4 S. 1 KSchG angekündigter Beschäftigungsantrag, mit welchem in Abgrenzung zum Weiterbeschäftigungsanspruch nach § 102 Abs. 5 S. 1 BetrVG der auf die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts gestützte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch verfolgt wird, kann auch dann als unechter Hilfsantrag auszulegen sein, wenn sich aus dem Wortlaut des Antrags dessen Bedingtheit nicht unmittelbar ergibt.
2. Die Annahme eines mit dem Kosteninteresse der klagenden Partei regelmäßig nicht vereinbaren unbedingten Weiterbeschäftigungsantrags erfordert eindeutige Anhaltspunkte in der Klagebegründung.
3. Ist der Weiterbeschäftigungsantrag danach als unechter Hilfsantrag auszulegen, ist dafür bei vergleichsweiser Erledigung des Rechtsstreits nach § 45 Abs. 4 GKG nur dann ein Wert anzusetzen, wenn der Vergleich zur Frage der Beschäftigung über den Kündigungstermin hinaus eine Regelung enthält.
4. Da der Weiterbeschäftigungsantrag auf tatsächliche Beschäftigung gerichtet ist, muss sich diese Regelung zur Frage der Beschäftigung nach dem Kündigungstermin und für einen vom Zeitpunkt des Vergleichsschlusses her betrachtet in die Zukunft reichenden Zeitraum verhalten (im Anschluss an LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.12.2015 – 5 Ta 71/15).
14 Ta 194/22 (20.12.2022)
Zwar ist nach der auf den ursprünglich gestellten Antrag hin erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Falle des nachfolgenden Abschlusses eines Mehrvergleichs ein neuer Antrag erforderlich. Dieser kann aber von der Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, auch konkludent gestellt werden. Ein solcher konkludenter Antrag kann regelmäßig den Erklärungen der Partei im Rahmen des Vergleichsschlusses nach § 278 Abs. 6 ZPO im Wege der Auslegung entnommen werden.
18 SaGa 16/22 (15.12.2022)
1. Dass der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft außerhalb eines bestehenden Arbeitsverhältnisses einem anderen Unternehmen zur Verfügung stellt, reicht für einen Verstoß gegen § 60 Abs. 1 HGB nicht aus. Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers kommt es darauf an, ob seine Tätigkeit außerhalt des Arbeitsverhältnisses den Interessen seines Arbeitgebers aus Gründen des Wettbewerbs zuwiderläuft.
2. Zwischen dem Arbeitgeber und dem anderen Unternehmen, für das der Arbeitnehmer tätig wird, besteht das nach § 60 Abs. 1 HGB erforderliche Wettbewerbsverhältnis, wenn sich beide als Anbieter an einen im wesentlichen gleichen Abnehmerkreis im selben Marktbereich wenden. Hinsichtlich des Marktbereichs sind auch örtliche Aspekte zu berücksichtigen.
3. Ein Wettbewerbsverhältnis i.S.d. § 60 HGB lässt sich nicht aus dem örtlich entgrenzten Gesichtspunkt eines Nachfragewettbewerbs bezüglich hochqualifizierter Arbeitnehmer herleiten.
4. Bei der der Pflicht des Arbeitnehmers, gemäß § 241 Abs. 2 BGB anderweitige Erwerbstätigkeit zu unterlassen, die die geschuldete Arbeitsleistung vereiteln oder gefährden kann, handelt es sich um keine selbständig einklagbare Pflicht.
13 Sa 754/22 (09.12.2022)
1, Die Formulierung, dass ein Arbeitnehmer "bei einem 35-jährigen Dienstjubiläum" eine Jubiläumszuwendung erhält, setzt lediglich die Vollendung einer 35-jährigen Beschäftigungszeit voraus und nicht, dass das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus auch noch am Jubiläumstag fortbesteht.
2, Soll der Arbeitnehmer „bei Dienstjubiläum“ eine Jubiläumszuwendung erhalten, ist damit lediglich die Fälligkeit des bei Vollendung der Beschäftigungszeit entstandenen Anspruchs geregelt.
19 Sa 756/22 (02.12.2022)
1. Ein am reinen Wortlaut von Art. 15 Abs. 1 Halbs. 2 DSGVO orientierter Antrag auf Auskunft ist mangels hinreichender Bestimmtheit iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig, wenn bereits eine Auskunft hinsichtlich konkreter personenbezogener Daten erteilt worden ist, aufgrund derer es der klagenden Partei möglich und zumutbar ist, anzugeben, welche weiteren personenbezogenen Daten und Informationen über die bereits erteilte Auskunft hinaus begehrt werden.
2. Ein Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 Alt. 2 DSGVO erfordert das Vorliegen eines konkreten immateriellen Schadens. Diesen hat die klagende Partei darzulegen.
6 Sa 202/22 (29.11.2022)
Fehlt in einem Abrufarbeitsverhältnis eine Vereinbarung über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, gilt nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart (im Anschluss an BAG, Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 1024/12; Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 07.12.2005 – 5 AZR 535/04). Jedenfalls bei einem nicht gleichförmigen Abruf begründet allein das tatsächliche Abrufverhalten des Arbeitgebers weder eine konkludente vertragliche Vereinbarung noch ist eine ergänzende Vertragsauslegung möglich.
8 Ta 198/22 (26.10.2022)
1. In einem Prozessvergleich zur Beilegung des Rechtsstreits selbst vereinbarte Leistungen begründen, ebenso wie deklaratorisch zu zwischen den Parteien unstreitigen Punkten ergänzend aufgenommene Angaben, regelmäßig keinen Vergleichsmehrwert.
2, Betreffen die jeweiligen Regelungen jedoch im Verfahren nicht streitgegenständliche weitergehende Rechtsverhältnisse, die zwischen den Parteien gesondert gerichtlich oder außergerichtlich streitig oder erkennbar von Rechtsunsicherheit betroffen waren, kann dies zu einer Werterhöhung führen. Die geforderte Ungewissheit oder Rechtsunsicherheit kann dabei in dem Rechtsverhältnis bereits angelegt sein (hier: nachvertragliches Wettbewerbsverbot).
3, Der Wertansatz für Streitigkeiten über ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot kann – dem wirtschaftlichen Interesse der klagenden Parteien folgend – nach Dauer und Höhe der daraus zu zahlenden Karenzentschädigung bemessen werden.
4. Bei der Streitwertbeschwerde nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. § 68 Abs. 1 GKG ist das Beschwerdegericht nicht an die Anträge oder das Begehren der Beschwerdeführer gebunden. Eine Streichung von einzelnen Ansätzen und eine Minderung des Gesamtwerts zum Nachteil der Beschwerdeführer von Amts wegen sind möglich.
13 Sa 413/22 (21.10.2022)
1. Eine „Unterbrechung“ im Sinne des § 150a Abs. 5 SGB IX setzt voraus, dass eine Tätigkeit zunächst aufgenommen worden ist und nach der Abwesenheit – wenn auch nur für einen Tag – weitergeführt wird.
2. Eine Tätigkeit im Sinne des § 150a Abs. 5 SGB IX verlangt eine tatsächliche, faktische Arbeitsleistung bzw. Anwesenheit im Betrieb und nicht nur das bloße Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zur Pflegeeinrichtung mit einer regelmäßigen oder üblichen Arbeitszeit.
4 Sa 218/22 (12.10.2022)
(gilt auch in den Parallelverfahren 4 Sa 220/22, 4 Sa 221/22, 4 Sa 288/22 und 4 Sa 289/22)
Fehlt in einem Abrufarbeitsverhältnis eine Vereinbarung über die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit, gilt nach § 12 Abs. 1 Satz 3 TzBfG eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart (im Anschluss an BAG, Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 1024/12; Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 07.12.2005 – 5 AZR 535/04). Jedenfalls bei einem nicht gleichförmigen Abruf begründet allein das tatsächliche Abrufverhalten des Arbeitgebers weder eine konkludente vertragliche Vereinbarung noch ist eine ergänzende Vertragsauslegung möglich.
10 Sa 229/22 (27.09.2022)
Syndikusrechtsanwälte und –anwältinnen, die für einen als Prozessvertreter der Partei bevollmächtigten Verband nach außen erkennbar im Rechtsverkehr als Syndikusrechtsanwälte/-anwältinnen auftreten, unterliegen bei Ausübung dieser Tätigkeit der Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs gemäß § 46g ArbGG durch Einsatz des für sie in dieser Eigenschaft persönlich eingerichteten beA.
Syndikusrechtsanwälte und -anwältinnen sind die einen Schriftsatz verantwortende Person im Sinne des § 46c Abs. 3 Satz 1 Var. 2 ArbGG. Dies wird nicht dadurch infrage gestellt, dass Prozessvertreter der Partei der Verband ist, bei dem Erstere angestellt sind (im Anschluss an LAG Hamm 03.05.2022, 14 Sa 1381/21).
7 TaBV 13/22 (06.09.2022)
Nach einem Betriebsübergang sind die (ehemals) tariflichen Eingruppierungsregeln die vom tariflich nicht gebundenen Arbeitgeber bis zu einer Neuregelung gegenüber dem Betriebsrat zu beachtenden Entlohnungsgrundsätze i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (Anschluss an BAG, Urteil vom 23.01.2018, 1 AZR 65/17 und Beschluss vom 08.12.2009, 1 ABR 66/08).
14 Ta 179/22 (05.09.2022)
Stellt die Partei einen Prozesskostenhilfeantrag, ohne eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen, darf eine Zurückweisung aus diesem Grund nur dann erfolgen, wenn das Gericht zuvor einen Hinweis auf diesen Mangel erteilt. Das gilt auch bei einer anwaltlich vertretenen Partei (entgegen BAG 31. Juli 2017 – 9 AZB 32/17 – juris).
18 Sa 1548/21 (14.07.2022)
1. § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG erkennt nur die Erhaltung einer ausgewogenen Personalstruktur als berechtigtes betriebliches Interesse an, nicht aber deren Herstellung, d. h. die Veränderung der bisherigen Personalstruktur.
2. Der Arbeitgeber kann zur Erhaltung einer bestimmten Personalstruktur des in Betracht kommenden Personenkreises abstrakte Gruppen mit unterschiedlichen Strukturmerkmalen bilden und aus jeder Gruppe eine bestimmte Anzahl von Arbeitnehmern festlegen, die nicht in die Auswahl einbezogen werden sollen. Auch eine Gruppenbildung nach Ausbildung und Qualifikation ist zulässig, da zur Personalstruktur auch die Leistungsstärke der Belegschaft gehört. Erhaltung der Leistungsstärke der Belegschaft bedeutet, dass das Verhältnis der leistungsstärkeren zu den leistungsschwächeren Arbeitnehmern in etwa gleich bleibt. Der Arbeitgeber kann daher z. B. für die Mitarbeiter, die für eine Sozialauswahl in Betracht kommen, eine Leistungsbeurteilung anfertigen lassen, dann Gruppen bilden und aus diesen Gruppen anteilig gleich viele Arbeitnehmer entlassen.
3. Der Arbeitgeber missachtet diese Grundsätze im Kern, wenn er zwar eine Gruppenbildung vornimmt, jedoch davon absieht, aus den gebildeten Qualifizierungsgruppen anteilig gleich viele Arbeitnehmer zu entlassen und die vielmehr die Sozialauswahl auf die Qualifizierungsgruppe beschränkt, in der sich die Arbeitnehmer befinden, die bei der Bewertung ihrer Qualifikation nach Maßgabe der „Qualifizierungs-Matrix“ die geringste Punktzahl erreichen und mithin die geringste Qualifikation aufweisen. Dadurch, dass ausschließlich Arbeitnehmer jener Qualifizierungsgruppe entlassen werden, wird im Ergebnis nicht die Personalstruktur erhalten, sondern verbessert. Denn der Arbeitgeber entledigt sich ausschließlich derjenigen Arbeitnehmer, die, den Bewertungsmaßstab der „Qualifizierungs-Matrix“ zugrunde gelegt, am wenigsten qualifiziert sind. Das hat notwendigerweise eine Erhöhung der durchschnittlichen Qualifikation zur Folge. An einer solchen Maßnahme bestehe jedoch kein anzuerkennendes betriebliches Interesse. Der Grundgedanke der Sozialauswahl wird geradezu in sein Gegenteil verkehrt, weil für das Ergebnis der Auswahl letztlich nicht mehr soziale Kriterien, sondern ausschließlich die Qualifikation der Arbeitnehmer von Belang ist.
4. Das Vorgehen des Arbeitgebers kann dazu führen, dass die Sozialauswahl als grob fehlerhaft anzusehen ist (im Streitfall bejaht).
8 Sa 365/22 (14.07.2022)
1. Grob ehrverletzende, diffamierende und von erheblicher Missachtung der Person geprägte Äußerungen über Vorgesetzte oder Kollegen in einem Vier-Augen-Gespräch am Arbeitsplatz können die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer nach den Umständen und dem Inhalt des Gesprächs im Einzelfall nicht davon ausgehen kann, dass seine Äußerungen als vertraulich eingeordnet und behandelt werden.
2. Fehlt es danach an einer begründeten Vertraulichkeitserwartung, steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG der Berücksichtigung dieser Äußerungen als Kündigungsgrund und deren Verwertung im Kündigungsschutzprozess nicht entgegen.
3. In einem Kontext mit dem Arbeitsverhältnis über Vorgesetzte oder Kollegen geäußerte Schmähkritik und Formalbeleidigungen am Arbeitsplatz sind vom Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht umfasst.
18 Sa 21/22 (21.07.2022)
1. Es bleibt offen, ob ein Erzbistum als öffentlicher Arbeitgeber i.S.d. § 154 Abs. 2 SGB IX anzusehen ist.
2. Der öffentliche Arbeitgeber erfüllt die Pflicht aus § 165 S. 3 SGB IX grundsätzlich auch dadurch, dass er den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, das in Form eines Video-Interviews durchgeführt wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn alle Vorstellungsgespräche in dieser Form durchgeführt werden, es im Laufe des Video-Interviews nicht zu technischen Problemen kommt, der schwerbehinderte Bewerber mit der Durchführung des Vorstellungsgesprächs in Form des Video-Interviews einverstanden ist und keine besonderen behinderungsbedingten Einschränkungen bestehen, die die Durchführung des Interviews erschweren könnten.
18 Sa 161/22 (07.07.2022)
1. Die „bisherige Entgeltstufe“ im Sinne des § 16 Abs. 2 AVR-DD ist die Erfahrungsstufe, nach der der Mitarbeiter vor der Herabgruppierung vergütet wurde. Im Hinblick auf die Einstufung ist nur die Verweildauer in der höheren Entgeltgruppe im Rahmen der Tätigkeit zu berücksichtigen, die vor der Herabgruppierung ausgeübt wurde (und nicht – auch – der Zeitraum, in dem der Mitarbeiter zuvor mit anderen Tätigkeiten betraut war).
2. Dies gilt auch dann, wenn der Mitarbeiter zunächst unter der Geltung des § 16 AVR-DD a.F. höhergruppiert und sodann unter der Geltung des § 16 AVR-DD herabgruppiert wurde und dies dazu führt, dass die Stufenzuordnung nach der Herabgruppierung sich gegenüber der Stufenzuordnung vor der Höhergruppierung verschlechtert.
8 Sa 40/22 (30.06.2022)
1. Handelt beim Abschluss eines Arbeitsvertrages ein Stellvertreter für den Arbeitgeber und lässt dieser seinen Vertreterwillen nicht für den Arbeitnehmer erkennbar deutlich hervortreten, dann wird der Vertreter auch dann selbst aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet, wenn er selbst kein Unternehmen (mehr) führt und keine Beschäftigungsmöglichkeit hat.
2. Beruft sich der persönlich in Anspruch genommene Stellvertreter auf den Abschluss eines unternehmensbezogenen Geschäfts, so hat er gem. § 138 Abs. 2 ZPO zur Personen des Vertretenen konkrete Angaben zu machen. Fehlt es daran, kann der Abschluss eines Eigengeschäfts gem. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten.
6 Sa 1249/21 (17.05.2022)
Auch wenn die Erwerbsabsicht keine notwendige Bedingung für die Arbeitnehmereigenschaft ist, spricht ihr Fehlen doch im Rahmen einer Gesamtwürdigung gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Wesen des Arbeitsverhältnisses ist der Austausch von Arbeit und Lohn. Für die Beurteilung der Erwerbsabsicht ist abzustellen auf die Umstände, von denen die Vertragsparteien ausgehen konnten, und nicht auf nicht mitgeteilte Absichten einer der Vertragsparteien.
Beruft sich ein Verein zur Abwehr einer Inanspruchnahme als Arbeitgeber darauf, das Mitglied sei für ihn als Vereinsmitglied tätig, er sei eine Religionsgemeinschaft oder weltanschauliche Vereinigung und das Vertragsverhältnis zwischen ihm und seinem Mitglied sei durch diese Religion oder Weltanschauung geprägt, so hat er dies geltend zu machen und hierfür Anhaltspunkte vorzutragen. Ist dies erfolgt, verbleibt es bei der grundsätzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.
6 Sa 1248/21 (17.05.2022)
Auch wenn die Erwerbsabsicht keine notwendige Bedingung für die Arbeitnehmereigenschaft ist, spricht ihr Fehlen doch im Rahmen einer Gesamtwürdigung gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Wesen des Arbeitsverhältnisses ist der Austausch von Arbeit und Lohn. Für die Beurteilung der Erwerbsabsicht ist abzu-stellen auf die Umstände, von denen die Vertragsparteien ausgehen konnten, und nicht auf nicht mitgeteilte Absichten einer der Vertragsparteien.
Beruft sich ein Verein zur Abwehr einer Inanspruchnahme als Arbeitgeber darauf, das Mitglied sei für ihn als Vereinsmitglied tätig, er sei eine Religionsgemeinschaft oder weltanschauliche Vereinigung und das Vertragsverhältnis zwischen ihm und seinem Mitglied sei durch diese Religion oder Weltanschauung geprägt, so hat er dies geltend zu machen und hierfür Anhaltspunkte vorzutragen. Ist dies erfolgt, verbleibt es bei der grundsätzlichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses.
14 Ta 130/22 (09.05.2022)
1. Eine gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO zu berücksichtigende besondere Belastung liegt auch in Unterhaltslasten, welche die Partei für die Kinder ihrer Lebensgefährtin bzw. ihres Lebensgefährten erbringt, mit denen sie in einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II lebt.
2. Beruht die vor der Entscheidung im von der Partei persönlich geführten Beschwerdeverfahren erfolgte Mandatsniederlegung durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt auf einer erstinstanzlichen Ablehnung der Prozesskostenhilfe, die wegen einer sachlich nicht nachvollziehbaren Einkommensermittlung ergangen ist, kann ausnahmsweise eine Beiordnung weiterhin erfolgen.
14 Sa 1381/21 (03.05.2022)
1. Syndikusrechtsanwältinnen und –anwälte sind die einen Schriftsatz verantwortende Person im Sinne des § 46c Absatz 3 Satz 1 Variante 2 ArbGG. Dies wird nicht dadurch infrage gestellt, dass Prozessvertreter der Partei der Verband ist, bei dem Erstere angestellt sind.
2. Für die formgerechte Einreichung eines fristwahrenden Schriftsatzes als elektronisches Dokument reicht die Übersendung aus dem beA der einfach signierenden Syndizi.
14 Sa 1350/21 (03.05.2022)
Erteilt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer ein Zwischenzeugnis, in welchem er diesem bescheinigt, „Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen ist immer einwandfrei“; verhält er sich widersprüchlich, wenn er ihm am Folgetag wegen eines angeblichen groben Fehlverhaltens am Tag der Zeugniserteilung vor dessen Erstellung fristlos, hilfsweise ordentlich kündigt.
18 Sa 1269/21 (28.04.2022)
1. Durch die Gewährung freiwilliger Beihilfeleistungen an Betriebsrentner kann eine betriebliche Übung zugunsten der aktiven Arbeitnehmer entstehen, die darauf vertrauen dürfen, dass diese Handhabung auch zu ihren Gunsten nach Eintritt des Versorgungsfalles fortgeführt wird.
2. Ohne eine besondere Erklärung des Arbeitgebers ist die betriebliche Übung nicht mit dem Inhalt entstanden, dass die Beihilfeleistungen für die Betriebsrentner an die Gewährung von Beihilfeleistungen für aktive Arbeitnehmer gebunden sind.
3. Die entstandene betriebliche Übung kann nicht durch eine „negative Gesamtzusage“ abgelöst werden, die auf Einstellung der Beihilfeleistungen gerichtet ist.
14 Sa 1571/21 (22.03.2022)
Wird in der Klageschrift der Antrag auf Weiterbeschäftigung nicht nur hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit der Kündigungsschutzklage, sondern zusätzlich unter den Vorbehalt gestellt, dass der Arbeitgeber nicht bis zum Gütetermin zu Protokoll des Gerichts erklärt, den Arbeitnehmer im Falle eines der Klage stattgebenden Urteils weiter zu beschäftigen, hat der Kläger lediglich eine entsprechende Klageer-weiterung angekündigt, aber nicht rechtshängig gemacht.
In einem solchen Fall kann bei einem Anerkenntnis des Arbeitgebers über einen solchen Antrag kein Anerkenntnisurteil ergehen.
18 Sa 1449/21 (10.03.2022)
Enthält weder der Arbeitsvertrag noch die angegriffene Kündigung einen Hinweis auf die Klagefrist nach § 4 KSchG, so lässt sich die Unwirksamkeit der Kündigung nicht auf eine „Vorwirkung“ der Arbeitsbedingungen-Richtlinie (2019/1152/EU) oder auf eine richtlinienkonforme Auslegung bzw. Rechtsfortbildung der §§ 623, 125 S. 1 BGB stützen.
1 Sa 1282/21 (25.02.2022)
Einzelfallentscheidung zur Rückforderung von Fort- und Ausbildungskosten, Nutzungsausfallentschädigung, Urlaubsabgeltung und Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitsgebers bei der Urlaubsübertragung.
5 Sa 872/21 (17.02.2022)
Bleibt ein Arbeitnehmer auch bis nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres arbeitsunfähig erkrankt, ist es dem Arbeitgeber, der seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist, den Arbeitnehmer von dem Bestehen von Urlaubsansprüchen und deren Befristung in Kenntnis zu setzen, nicht verwehrt, sich auf die Befristung und das Erlöschen des Urlaubsanspruchs zu berufen. Ist der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig, sind nicht Handlungen oder Unterlassungen des Arbeitgebers, sondern allein die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Verfall des Urlaubs kausal (im Anschluss an BAG, EuGH-Vorlage vom 07. Juli 2020, 9 AZR 401/19 (A), NZA 2020, 1541-1547, Rn. 19 – 27)
1 Sa 648/21 (11.02.2022)
Differenziert eine Rückzahlungsklausel in einem Fortbildungsvertrag danach, dass der fortgebildete Arbeitnehmer im Falle der Eigenkündigung während der Bindungsfrist zur Rückzahlung nicht verpflichtet ist, wenn der Arbeitgeber dazu einen wichtigen Grund gegeben hat, ist damit regelmäßig ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB gemeint.
Entfällt die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers bei pflichtwidrigem Verhalten des Arbeitgebers alleine dann, wenn die Pflichtwidrigkeit derart schwerwiegend ist, dass sie einen wichtigen Grund darstellt, ist dies eine unzulässige Verengung der Fälle, in denen sich der fortgebildeten Arbeitnehmer wegen eines Fehlverhaltens des Arbeitgebers als zur rückzahlungsfreien Eigenkündigung berechtigt ansehen darf. Eine solche Rückzahlungsklausel ist unangemessen benachteiligend und damit unwirksam i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
14 Sa 938/21 (11.02.2022)
Versäumt der Arbeitnehmer die Dreiwochenfrist des § 4 Satz 1 KSchG für die Erhebung der Kündigungsschutzklage, weil ihm der Betriebsratsvorsitzende sagt, der Kläger müsse sich um nichts weiter kümmern und brauche auch keine Klage einreichen, ist eine nachträgliche Zulassung der Klage nicht möglich.
13 TaBV 30/21 (04.02.2022)
Bei einer Eingruppierung nach den Bestimmungen des TVöD (VKA) ist der Betriebsrat im Rahmen der vom Arbeitgeber nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorzunehmenden Unterrichtung im ausreichenden Umfang auch über die Kriterien zur Bildung von Arbeitsvorgängen zu informieren.
7 TaBV 47/21 (25.01.2022)
1. In einem Beschlussverfahren gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit der Wahl der Arbeitnehmervertreter zum Aufsichtsrat, das hilfsweise auch die Wahlanfechtung umfasst, ist der Gesamtbetriebsrat, der nicht selbst Antragsteller ist, gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG nicht zu beteiligen.
2. Die unterbliebene Durchführung des Statusverfahrens gemäß § 27 EGAktG in Verbiindung mit §§ 97, 98 AktG führt zur Nichtigkeit der Wahl (Anschluss an BAG vom 16.04.2008, 7 ABR 6/07), wobei es nicht darauf ankommt, dass ein Streit oder eine Ungewissheit im Sinne des § 98 Abs. 1 AktG erst nach Einleitung der Wahl entstanden ist.
8 Ta 186/21 (21.01.2022)
1. Nimmt der gekündigte Arbeitnehmer in einem Kündigungsschutzprozess parteierweiternd auch den vermeintlichen Betriebserwerber im Sinne des § 613a Abs. 1 BGB mit einem Antrag nach § 256 Abs. 1 ZPO auf den Fortbestand des streitigen Arbeitsverhältnisses in Anspruch, so bemisst sich der Gebührenstreitwert ohne Erhöhung allein wegen der subjektiven Klagehäufung regelmäßig insgesamt nach dem Vierteljahresverdienst.
2. Wird daneben beantragt, den Betriebserwerber zur Anmeldung des gekündigten Arbeitnehmers zur Sozialversicherung zu verurteilen, hält sich die gebührenrechtliche Bewertung dieses Antrags mit 250,00 € im Rahmen des nach § 3 ZPO eröffneten Ermessens. Ein Wertansatz unter Orientierung an den dreieinhalbfachen Jahresbetrag der Sozialversicherungsbeiträge (§ 9 ZPO) scheidet gemäß §§ 42 Abs. 2 S. 1, 45 Abs. 1 S. 3 GKG aus.
17 Sa 1185/20 (14.12.2021)
1. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a Var. 1 DSGVO („Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“) und Art. 6 Abs. 1 DSGVO sind Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 Satz 1 BGB.
2. Eine Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO ist nur erforderlich, wenn kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, um die Interessen des Verantwortlichen zu erreichen.
3. Im Rahmen der Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 Buchstabe f DSGVO ist neben der berechtigten Erwartungshaltung der betroffenen Person maßgeblich zu berücksichtigen, ob der Verantwortliche seinen Informationspflichten nach der DSGVO gegenüber der betroffenen Person nachgekommen ist und dieser die Möglichkeit gegeben hat, ihre nach der DSGVO bestehenden Rechte wahrzunehmen.
14 Ta 410/21 (06.12.2021)
Für die Wahrung der Schriftform bei einem Prozesskostenhilfegesuch ist die eigenhändige Unterschriftsleistung weder für die Antragsschrift noch für den amtlichen Vordruck der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zwingend erforderlich.
12 Ta 378/21 (06.12.2021)
1. Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist der Unmöglichkeitseinwand grundsätzlich zu berücksichtigen.
2. Beruft sich der Schuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren darauf, die Beschäftigung sei ihm unmöglich geworden, weil er nach Urteilserlass eine Organisationsentscheidung getroffen habe, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes geführt habe, kommt eine Berücksichtigung nur in Betracht, wenn diese unstreitig oder offenkundig ist.
4 Sa 628/21 (01.12.2021)
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist ein Anerkenntnis auch dann noch „sofort“ im Sinne von § 93 ZPO, wenn es im Klageerwiderungsschriftsatz erklärt wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die beklagte Partei zuvor der Klageforderung streitig entgegen getreten ist. Das Scheitern des arbeitsgerichtlichen Gütetermins für sich genommen genügt dafür nicht.
14 Sa 711/21 (30.11.2021)
Enthält zum einen ein Sozialplan die Regelung, dass ausscheidende Arbeitnehmer im Jahr des Ausscheidens ein Bonus „gemäß der jeweils gültigen Bonusregelung“ anteilig gezahlt wird, und wird zum anderen in der diese Bonusregelung betreffenden Konzernbetriebsvereinbarung normiert, dass Mitarbeiter einen Bonus erhalten, „sofern das Unternehmen bzw. Unternehmenseinheit … eine Bonusgewährung vorsieht“, besteht kein Anspruch des ausscheidenden Arbeitnehmers, wenn aufgrund einer Entscheidung im Konzern auch im Unternehmen des Arbeitgebers kein Bonus für das Jahr des Ausscheidens gewährt werden wird.
4 Sa 280/21 (17.11.2021)
Es ist daran festzuhalten, dass der Arbeitgeber die Gewährung einer Invalidenrente von der zusätzlichen Voraussetzung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abhängig machen kann, sofern die Versorgungsordnung auf einer Betriebsvereinbarung beruht.
7 TaBV 19/21 (26.10.2021)
1. Es ist ermessensfehlerfrei, wenn durch Spruch der Einigungsstelle über die Aufstellung eines Sozialplans bei festgestellten wirtschaftlichen Nachteilen der von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer trotz vorgetragener erheblicher Bedenken zur wirtschaftlichen Vertretbarkeit der beabsichtigten Regelung kein undotierter Sozialplan (sog. „Sozialplan 0“) beschlossen wird.
2. Ein „Sozialplan 0“ stellt bereits tatbestandlich keinen Sozialplan im Sinne des § 112 Abs. 1 S. 2 BetrVG dar und ist daher mit der vom Gesetzgeber in § 112 Abs. 4 BetrVG festgeschriebenen Erzwingbarkeit von Sozialplänen nicht vereinbar.
14 Ta 178/21 (24.09.2021)
Die Anordnung einer Ratenzahlung im Nachprüfungsverfahren des § 120a ZPO ist im Falle der Insolvenz einer Partei wieder möglich, wenn das Insolvenzverfahren nach Vollzug der Schlussverteilung gemäß § 200 InsO aufgehoben wurde.
2 Sa 179/21 (23.09.2021)
1. Unter Erteilen einer Lohnabrechnung in Textform im Sinne des § 108 GewO ist nicht bereits die bloße Bereitstellung in ein elektronisches Postfach zum Abruf durch ein aktives Tun des Arbeitnehmers, sondern auch deren Zugang bei Arbeitnehmer zu verstehen. Der Arbeitgeber muss daher die Lohnabrechnung so auf den Weg zum Arbeitnehmer bringen, dass sie so in seinen Machtbereich gelangt, dass er unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen konnte.
2. Die in elektronischer Form übermittelte Erklärung geht dem Empfänger nur dann zu, wenn er zuvor ausdrücklich oder konkludent zu erkennen gegeben hat, dass er mit der elektronischen Übermittlung der Lohnabrechnung einverstanden ist.
3. Die bloße Zurverfügungstellung der Lohnabrechnung in elektronischer Form zum Abruf durch den Arbeitnehmer ist keine Erfüllung der Pflicht zur Erteilung ei-ner Lohnabrechnung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB.
4 Sa 1282/19 (22.09.2021)
1. Die Inanspruchnahme tariflicher Freistellungstage nach § 25.1 Buchst. a, 1. Spiegelstrich MTV Metall NRW setzt voraus, dass der Beschäftigte regelmäßig zwischen drei oder mehr Schichten wechselt. Ein gelegentlicher Einsatz in der Nachtschicht (hier: 24 bzw. 19 Nächte im Jahr) genügt nicht.
2. Für die Inanspruchnahme tariflicher Freistellungstage nach § 25.1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich MTV Metall NRW genügt es, dass das fragliche Kind das achte Lebensjahr noch nicht vollendet hat und in häuslicher Gemeinschaft mit dem Beschäftigten lebt. Dem tariflichen Merkmal „selbst betreuen und erziehen“ kommt keine eigenständige Bedeutung zu.
3. Die Geltendmachung des Freistellungsanspruchs nach § 25 MTV Metall NRW ist nicht formbedürftig und verlangt keine Begründung. Es kommt nur auf das objektive Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen an. Hat ein Beschäftigter innerhalb der Frist des § 25.2 MTV Metall NRW den Freistellungsanspruch geltend gemacht und dabei als Freistellungsgrund „Schicht“ genannt, ist er nicht gehindert, sich nach Fristablauf jedenfalls auf den Freistellungsgrund „Kinderbetreuung“ i.S.v. § 25.1 Buchst. b, 2. Spiegelstrich MTV Metall NRW zu berufen (insoweit abweichend von BAG, Urteil vom 20.01.2021 – 4 AZR 286/20).
8 Sa 148/21 (16.09.2021)
1. Werden in einem Kündigungsschutzprozess der bisherige Arbeitgeber und parteierweiternd auch die vermeintliche Erwerberin gemeinsam wegen der Unwirksamkeit einer Kündigung und des Übergangs bzw. des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses gemäß § 613a Abs. 1 S. 1 BGB in Anspruch genommen, so scheidet der Erlass eines allein das Prozessverhältnis mit der Erwerberin betreffenden Teilurteils nach dem aus § 301 Abs. 1 ZPO abzuleitenden Gebot der Widerspruchsfreiheit von Teil- und Schlussurteil regelmäßig aus.
2. Eine Ausnahme davon kann unter dem Gesichtspunkt des effektiven Rechtsschutzes für die Erwerberin dann begründet sein, wenn ausschließlich das gegen den kündigenden bisherigen Arbeitgeber geführte Verfahren wegen Insolvenzeröffnung gemäß § 240 S. 1 ZPO unterbrochen ist. Insoweit ist auf den Zeitpunkt der Verkündung des Teilurteils und zugleich – im Sinne einer Kontrollüberlegung – auf den Zeitpunkt der Entscheidung über das gegen das Teilurteil eingelegte Rechtsmittel abzustellen. Eine bei Verkündung des Teilurteils noch nicht eingetretene, zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch Aufnahme bereits wieder beseitige Unterbrechung rechtfertigt dabei eine Durchbrechung des Gebots der Widerspruchsfreiheit ohne das Hinzutreten besonderer Einzelfallumstände regelmäßig nicht.
3. Es bleibt unentschieden, ob angesichts der für den Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess gemäß § 86 Abs. 1 InsO begründeten Aufnahmemöglichkeit ein mit der Durchbrechung des Gebots der Widerspruchsfreiheit verbundenes Teilurteil erst dann ergehen kann, wenn der klagende Arbeitnehmer nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis die Aufnahme des Rechtsstreits entweder ablehnt oder sich insoweit nicht erklärt.
7 Ta 261/21 (03.09.2021)
Für der Bemessung des Gegenstandswertes in Verfahren nach § 100 ArbGG macht es keinen Unterschied, ob die Beteiligten über ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis oder die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle streiten.
8 Sa 1671/19 (19.08.2021)
Das Verfälschen über das eigene Arbeitsverhältnis erstellter Abrechnungen zwecks Täuschung eines Kreditgebers kann die persönliche Eignung des Arbeitnehmers für die ihm übertragenen Aufgaben jedenfalls dann in Frage stellen, wenn im Rahmen einer kaufmännischen Tätigkeit gerade die Vertragsanbahnung zu den Arbeitsaufgaben gehört. Das Herstellen verfälschter Abrechnungen und deren Verwendung im Rechtsverkehr verletzt zugleich die gegenüber dem Arbeitgeber begründete Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Ein derartiges Verhalten kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
4 Sa 221/21 (11.08.2021)
1. Ein vom Arbeitgeber bei der Erteilung einer Versorgungszusage erklärter Vorbehalt, bei Eintritt des Versorgungsfalls anstelle einer Rentenzahlung eine wertgleiche Auszahlung des Kapitalbetrags vorzunehmen, verstößt nicht gegen das Abfindungsverbot nach § 3 Abs. 1 BetrAVG.
2. Ist die Ausübung eines derartigen Vorbehaltsrechts nicht durch die Versorgungszusage eingeschränkt, liegt regelmäßig eine Wahlschuld nach § 262 BGB vor. Der Arbeitgeber kann in einem solchen Fall zwischen beiden Alternativen frei wählen, ohne billiges Ermessen nach § 315 Abs. 1 BGB beachten zu müssen (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 14.05.2019 – 3 AZR 150/17).
10 Sa 284/21 (11.08.2021)
Restricted Stock Units oder Aktienoptionen, die einem Arbeitnehmer von einem Dritten, etwa einer Konzernobergesellschaft, gewährt werden, stellen keine vertragsmäßige Leistung im Sinne der §§ 74 Abs. 2 HGB, 74b Abs. 2 HGB dar.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn sich der Arbeitgeber neben der emittierenden Gesellschaft zumindest konkludent auch selbst vertraglich verpflichtet hat.
Einzelfallentscheidung zur Auslegung einer Abwicklungsvereinbarung: hier konkludente Verpflichtung der Beklagten abgelehnt.
13 TaBV 12/20 (18.06.2021)
Zu den Auswirkungen einer während der Zeit des Vollmandats begangenen groben Verletzung der Amtspflichten des Betriebsrates (§ 23 Abs. 1 Satz 1 BetrVG) auf die Wahrnehmung des Restmandats nach § 21 b BetrVG.
7 TaBV 79/20 (27.07.2021)
Dem Betriebsrat steht bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung ein Initiativrecht zu (Abweichung BAG, Beschluss vom 28.11.1989, 1 ABR 97/88).
10 Sa 122/21 (16.06.2021)
Kündigt ein Arbeitgeber fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin und benennt als Beendigungstermin ein konkretes Datum mit versehentlich zu lang gewählter Kündigungsfrist, kann die Auslegung nach dem Empfängerhorizont trotz des erkennbaren, schnellstmöglichen Beendigungswillens des Arbeitgebers die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erst zu dem genannten Datum ergeben.
18 Sa 1124/20 (17.05.2021)
Der Arbeitgeber verstößt nicht gegen das Gebot fairen Verhandelns beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages, wenn er einen Rechtsanwalt zu den Vertragsverhandlungen hinzuzieht, einen Aufhebungsvertrag vorlegt, der nur sofort abgeschlossen werden kann und dies mit der – im Streitfall nicht widerrechtlichen – Drohung verbindet, er werde eine fristlose Kündigung aussprechen und Strafanzeige erstatten.
10 Sa 31/21 (28.04.2021)
Sagt ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Weitergabe der tariflichen Lohnerhöhungen der Metall- und Elektroindustrie NRW zu, so umfasst diese Zusage grundsätzlich nicht das in § 2 TV T-ZUG geregelte tarifliche Zusatzgeld T-ZUG (A) und T-ZUG (B), da es sich hierbei um eine Sonderzahlung eigener Art handelt.
Ein an alle Mitarbeiter gerichtetes Informationsschreiben eines Arbeitgebers über ein künftiges Konzept für ein betriebliches Bündnis für Arbeit stellt jedenfalls dann mangels Rechtsbindungswillen keine Gesamtzusage dar, wenn daraus deutlich wird, dass er zur Umsetzung des Konzepts mit den einzelnen Arbeitnehmern noch schriftliche Individualvereinbarungen vereinbaren möchte.
10 Sa 38/21 (28.04.2021)
Sagt ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Weitergabe der tariflichen Lohnerhöhungen der Metall- und Elektroindustrie NRW zu, so umfasst diese Zusage grundsätzlich nicht das in § 2 TV T-ZUG geregelte tarifliche Zusatzgeld T-ZUG (A) und T-ZUG (B), da es sich hierbei um eine Sonderzahlung eigener Art handelt.
Jedoch kann die im Einzelfall vorzunehmende Auslegung nach den für allgemeine Geschäftsbedingung geltenden Grundsätzen auch die Einbeziehung der Sonderzahlung gemäß § 2 TV T-ZUG ergeben
10 Sa 39/21 (28.04.2021)
Sagt ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern die Weitergabe der tariflichen Lohnerhöhungen der Metall- und Elektroindustrie NRW zu, so umfasst diese Zusage grundsätzlich nicht das in § 2 TV T-ZUG geregelte tarifliche Zusatzgeld T-ZUG (A) und T-ZUG (B), da es sich hierbei um eine Sonderzahlung eigener Art handelt.
Jedoch kann die im Einzelfall vorzunehmende Auslegung nach den für allgemeine Geschäftsbedingung geltenden Grundsätzen auch die Einbeziehung der Sonderzahlung gemäß § 2 TV T-ZUG ergeben.
7 TaBV 27/19 (09.03.2021)
Der Wohnbereich eines Seniorenzentrums kann eine „Station“ im Sinne der Vorbemerkungen zu den Leitenden Beschäftigten in der Pflege nach der Anlage 1 – Entgeltordnung – des TVöD-B darstellen (Anschluss an BAG, Beschluss vom 29.01.2020, 4 ABR 8/18)
18 Sa 1097/20 (18.03.2021)
„Tätigkeitsjahre“ im Sinne des § 3 A Abs. 2 S. 1 GTV Einzelhandel NRW sind nur Beschäftigungszeiten, die beim aktuellen Arbeitgeber zurückgelegt wurden.
1 Sa 1173/20 (12.02.2021)
Eine Versetzung stellt sich individualrechtlich als die schuldrechtliche Befugnis des Arbeitgebers dar, dem Arbeitnehmer eine andere Tätigkeit zuzuweisen. Sie unterscheidet sich in tatsächlicher Hinsicht von der Erstzuweisung einer Tätigkeit dadurch, dass ihr auf der Grundlage eines bestehenden Arbeitsvertrages eine ehemalige Tätigkeit vorausgehen und eine neu zugewiesene Tätigkeit nachfolgen muss.
12 SaGa 1/21 (05.02.2021)
Macht der Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis im Wege eines Antrags auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung seinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung geltend, muss er im Hinblick auf den Verfügungsgrund kein besonderes Beschäftigungsinteresse darlegen, wenn der Anspruch unzweifelhaft besteht.
14 Ta 9/21 (01.02.2021)
1. Eine vollständige Abweisung der beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist zulässig, wenn die erforderlichen Angaben und Unterlagen bis zur Beendigung einer Instanz bzw. einer Verfahrensbeendigung ganz fehlen oder so unvollständig sind, dass eine Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens nicht möglich ist.
2. Das Gleiche gilt, wenn nach Eingang des Prozesskostenhilfeantrages durch den Erlass einer Entscheidung, Abschluss eines Vergleichs oder aus sonstigem Grund eine teilweise Erledigung des Rechtsstreits eintritt, bevor eine Entscheidungsreife für den erledigten Teil vorliegt. Aufgrund der Fristsetzung nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO kann „insoweit“ die Prozesskostenhilfe abgelehnt werden, ohne dass weitere, nach Fristablauf nachgereichte Angaben und Belege zu berücksichtigen sind.
3. Ein Zinsanspruch ist kostenneutral und erhöht den Streitwert nicht. Er rechtfertigt nicht die Gewährung von Prozesskostenhilfe bezogen auf diese Nebenforderung.
8 Ta 461/20 (29.01.2021)
1. Wird im Zusammenhang mit einem Bestandsschutzantrag ein Antrag auf künftige, wiederkehrende Leistungen (§§ 257, 258 ZPO) gestellt, ist der für diesen Antrag nach §§ 39 Abs. 1, 42 Abs. 1 S. 1 GKG anzusetzende Einzelwert nach dem Sinn und Zweck des § 42 Abs. 2 S. 1 GKG nicht nach dem dreifachen Jahresbetrag, sondern in Relation zum Wert des Bestandsschutzantrags zu bemessen.
2. Bei der Wertbestimmung insoweit ist zwischen den bis zum Erlass des Urteils bzw. der sonstigen Erledigung schon fälligen Teilbeträgen und erst danach entstehenden Vergütungsansprüchen zu differenzieren. Letztere sind mit einem Monatsverdienst zu berücksichtigen (im Anschluss an LAG Hamm, Beschluss vom 8. Februar 2002 – 9 Ta 314/99 – und Beschluss vom 15. August 2007 – 6 Ta 454/07).
3. Es bleibt unentschieden, ob der neben dem Bestandsschutzantrag formulierte Leistungsantrag nach §§ 257, 258 ZPO regelmäßig, auch ohne ausdrücklich formulierte Bedingung, als unechter Hilfsantrag zu verstehen ist und ob hinsichtlich der davon erfassten, schon fälligen Teilbeträgen und dem Bestandsschutzantrag eine wirtschaftliche Identität im Sinne des § 41 Abs. 1 S. 3 GKG angenommen werden kann.
12 Ta 411/20 (25.01.2021)
Die Berichtigung eines nach § 278 Absatz 6 ZPO fegestellten Vergleichs kann nicht gemäß § 44 a BeurkG erfolgen.
8 Ta 587/20 (22.01.2021)
Die Annahme eines Titulierungsinteresses für die in einen Beendigungsvergleich integrierte Zeugnisvereinbarung setzt voraus, dass die Durchsetzbarkeit des titulierten Anspruchs aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalles gleichwohl ungewiss ist. Fehlt es daran, kann eine entsprechende Festsetzung des Arbeitsgerichts im Beschwerdeverfahren gem. § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG auch zum Nachteil des beschwerdeführenden Rechtsanwalts von Amts wegen nach unten abgeändert werden.
8 Ta 584/20 (18.01.2021)
Die Unterlassungsklage einer Führungskraft gegen streitgenossenschaftlich in Anspruch genommene, in der Hierarchie unterstellte Beschäftigte, welche auf die Unterlassung von Angaben zu den tatsächlichen Grundlagen einer Wertung zu Defiziten in der Führungskompetenz gerichtet ist, kann im Schwerpunkt vermögensrechtlicher Natur und wertmäßig deshalb in Orientierung an die Wertung des § 42 Abs. 2 S. 1 GKG zu erfassen sein. Dies kommt in Betracht, wenn die Abwendung von Nachteilen im Arbeitsverhältnis im Mittelpunkt des von der Führungskraft verfolgten Klagebegehrens steht.
12 Ta 536/20 (30.11.2020)
1. Auch gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts können Ordnungsgeld und Ordnungshaft gem. § 890 Abs. 2 ZPO angedroht werden.
2. Die Vollziehungsfrist bei Unterlassungstiteln ist gem. § 929 Abs. 2 ZPO nur gewahrt, wenn der Titel in der Vollziehungsfrist zugestellt wird. Bei der Amtszustellung muss der Gläubiger außerdem durch die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen deutlich machen, dass er von der Einstweiligen Verfügung Gebrauch macht.
3. Die Zustellung des Protokolls der mündlichen Verhandlung im Parteibetrieb stellt keine Zustellung des Titels dar, die die Vollziehungsfrist wahrt.
8 Sa 26/19 (26.11.2020)
1. Gegen eine als prozessunfähig anzusehende, erstinstanzlich deshalb unterlegene Rechtsmittelklägerin, welche den Berufungstermin nicht wahrnimmt, ergeht bei Entscheidungsreife regelmäßig kein Versäumnisurteil, sondern ein die Instanz beendendes kontradiktorisches Urteil bzw. Prozessurteil (im Anschluss an BGH, Urteil 5. Oktober 1961 – VII ZR 201/58).
2. Führt eine Partei über einen längeren Zeitraum an unterschiedlichen Gerichten eine erhebliche Anzahl an Verfahren vergleichbaren Gegenstands, vertritt sie hierzu erfolglos immer wieder dieselben Rechtsauffassungen, unterliegt sie hiermit regelmäßig und begründet sie auf diese Weise von ihr zu tragende gerichtliche und außergerichtliche Kosten in einer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit weit übersteigenden Größenordnung, kann dieses Prozessverhalten unter Abgrenzung zu einer sonstigen Motivlage nicht psychopathologischer Genese auf einen partiellen Ausschluss der Steuerungsfähigkeit in Gestalt des Querulantenwahns hindeuten und konkrete Zweifel an der Prozessfähigkeit begründen.
3. Entsprechenden Zweifeln an der Prozessfähigkeit einer Partei hat das Prozessgericht in allen Instanzen nach § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen nachzugehen. Dabei ist es nicht an die förmlichen Beweismittel der ZPO oder Beweisanträge der Parteien gebunden. Vielmehr sind die Grundsätze des Freibeweisverfahrens anzuwenden. Verbleiben nach Ausschöpfung aller erreichbaren Aufklärungsmöglichkeiten Zweifel an der Prozessfähigkeit, gehen diese im Zivilprozess insbesondere dann zu Lasten der betroffenen Partei, wenn sie keine Bereitschaft entwickelt, an einer nach objektiven Maßstäben gebotenen Aufklärung mitzuwirken, was zugleich verstärkender Hinweis auf anderweitig bereits begründete Zweifel an der Steuerungsfähigkeit sein kann.
4. Vor einer die Instanz abschließenden Entscheidung über deren Prozessfähigkeit hat das Prozessgericht die betroffene Partei regelmäßig persönlich anzuhören. Entzieht sich diese der beabsichtigten Anhörung und ist dem Äußerungsrecht insoweit bereits auf andere geeignete Weise entsprochen worden, kann jedenfalls in der Rechtsmittelinstanz im Einzelfall von einer nochmaligen Anhörung im Termin bzw. der Einräumung einer weiteren Gelegenheit hierzu durch Anberaumung eines zusätzlichen Termins abgesehen werden.
5. Bevor das Prozessgericht die Klage einer prozessunfähigen Partei als unzulässig abweist, ist diese regelmäßig auf das Erfordernis einer ordnungsgemäßen Vertretung sowie auf die Möglichkeit zur Behebung des Mangels durch die Einrichtung einer ggfls. auf den Rechtsstreit bezogenen Betreuung unter Einräumung eines dazu ausreichenden Zeitfensters hinzuweisen. Davon kann jedenfalls im Rechtsmittelverfahren abgesehen werden, wenn sich die betroffene Partei in der Vorinstanz entsprechenden Hinweisen verschlossen hat und nach den Umständen des Einzelfalles unterstellt werden kann, dass eine Abänderung dieser Haltung nicht mehr zu erwarten steht.
15 Sa 497/20 (26.11.2020)
Der Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer (§§ 168 ff. SGB IX) sieht ein dem Massenentlassungsschutz des § 17 KSchG gleichwertiges behördliches Verfahren vor. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer und ihnen Gleichgestellte ist der maßgebliche Entlassungszeitpunkt iSd. § 17 KSchG nicht der Zeitpunkt des Zugangs des Antrags des Arbeitgebers auf Kündigungszustimmung beim Integrationsamt, sondern der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
2 Sa 2026/19, 2 Sa 128/20, 2 Sa 129/20 (30.09.2020)
1. § 7 Ziff. 1 B des MTV für die dem Siegener Brauerei Verband e. V. angeschlossenen Brauereien vom 05.10.1995 führt zwar zur unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmern, die unregelmäßig und regelmäßig Nachtarbeit im Rahmen von Schichtarbeit leisten, diese Ungleichbehandlung ist aber gerechtfertigt.
2. Die Tarifvertragsparteien müssen zwar auch bei der tariflichen Normsetzung unter anderen den allgemeinen Gleichheitssatz Artikel 3 Abs. 1 GG beachten. Den Tarifvertragsparteien steht aber als selbstständigen Grundrechtsträgern bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Artikel 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomien ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den die Arbeitsvertrags- und Tarifvertragsparteien nicht im gleichen Maße verfügen.
3. Durch die Festlegung des Nachtzuschlags für unregelmäßige Nachtarbeit nach § 7 Ziff. 1 B b auf 50% im Verhältnis zum Zuschlag von 25% bei Nachtschichtarbeit und regelmäßiger Nachtarbeit nach § 7 Ziff. 1 B a haben die Tarifvertragsparteien die Grenzen des ihnen zustehenden Gestaltungsspielraums nicht überschritten.
5 Ta 489/20 (16.09.2020)
Eine Klage auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses ist jedenfalls dann (nicht mehr) mutwillig, wenn der Arbeitgeber eindeutig im Verfahren erkennen lässt, dass er den Zeugnisanspruch nicht erfüllen wird.
6 Sa 1979/19 (08.07.2020)
Ein in Deutschland bei den britischen Streitkräften beschäftigter ziviler Arbeitneh-mer ist „Dritter“ im Sinne des Art. VIII Abs. 5 NATO-Truppenstatut. Dessen arbeitsvertragliche Schadensersatzansprüche unterliegen nicht dem Ausschlusstatbestand der „vertraglichen Ansprüche“ des Art. VIII Abs. 5 NATO-Truppenstatut und sind als Amtshaftungsansprüche von den Gerichten für Arbeitssachen grundsätzlich nicht zu prüfen.
6 Sa 1521/19 (17.06.2020)
Für ein gemäß § 20 Nr. 4 EMTV Metall NRW/ § 3 Ziffer 3.3 MTV Metall ordentlich unkündbares Arbeitsverhältnis kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung mit notwendiger Auslauffrist wegen einer gravierenden Störung des Äquivalenzverhältnisses allein deshalb vorliegen, weil voraussichtlich im Durchschnitt mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage mit Entgeltfortzahlung belastet sein wird.
12 Ta 313/20 (02.06.2020)
1. § 55 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, der dem Vorsitzenden die Entscheidung bei Zurücknahme der Klage überlässt, findet keine Anwendung, wenn die Zulässigkeit oder die Wirksamkeit der Klagerücknahme umstritten ist.
2. Über die Frage, ob die Klage nach § 54 Abs. 5 ArbGG als zurückgenommen gilt, nachdem das Ruhen des Verfahrens angeordnet wurde, weil im Gütetermin beide Seiten nicht erschienen sind oder nicht verhandelt haben, kann nur mit der Kammer aufgrund mündlicher Verhandlung entschieden. Auf den außerhalb der 6-Monatsfrist gestellten Antrag ist Termin zur streitigen Verhandlung anzuberaumen.
6 Sa 1940/19 (13.05.2020)
Wird ein Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Fortzahlung der Vergütung, jedoch unter Anrechnung von Urlaub und Freizeitausgleich, einvernehmlich freigestellt, ohne dass eine ausdrückliche Regelung zur Anrechnung während der Freistellung anderweitig erzielten Verdienstes getroffen wird, ergibt sich auch aus einer ebenfalls vereinbarten „Sprinterklausel“ allein keine Anrechnung.
12 Ta 317/20 (08.05.2020)
1. Die Aussetzung eines nachfolgenden Kündigungsrechtstreits gem. § 148 ZPO, weil über die Wirksamkeit einer zuvor ausgesprochenen Kündigung noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist, ist regelmäßig ermessensfehlerhaft.
2. Regelmäßig ist es ebenfalls ermessensfehlerhaft, einen nachfolgenden Annahmeverzugsprozess auszusetzen, weil noch nicht rechtskräftig über eine Kündigung entschieden worden ist, von der die Entgeltansprüche abhängen.
3. Im Beschwerdeverfahren über eine Aussetzungsentscheidung des Arbeitsgerichts ist eine Kostenentscheidung zu treffen, wenn die sofortige Beschwerde erfolglos bleibt.
5 Ta 59/20 (05.05.2020)
Von dem Formularzwang nach § 117 Abs. 3, 120 a Abs. 4 S. 1 ZPO kann im Einzelfall aber auch nur dann, wenn die Bedürftigkeit etwa wegen Bezuges von Sozialleistungen (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes) offenkundig ist, abgesehen werden.
18 Sa 1513/19 (27.03.2020)
Führt der Mitarbeiter eines Unternehmens des Kfz-Gewerbes schuldhaft einen Unfall mit dem Kfz eines Kunden herbei und leistet die Haftpflichtversicherung des Kunden Schadensersatz an den Unfallgegner, so steht der Haftpflichtversicherung ein Auskunftsanspruch über das Bestehen einer Kfz-Haftpflichtversicherung für Kfz-Handel und Handwerk gegen das Unternehmen zu.
6 Sa 1182/19 (11.03.2020)
1. Im Falle des Ausspruchs einer Verdachtskündigung muss die darlegungsbelastete Arbeitgeberin Tatsachen vortragen, die nicht lediglich Fragen aufwerfen, Zweifel aufkommen lassen und mehr oder weniger starke Vermutungen indizieren. Es müssen schwerwiegende Tatsachen angeführt werden, die einen dringenden Verdacht begründen, der Arbeitnehmer habe die behauptete Pflichtverletzung begangen.
2. Das Bestehen eines Weiterbeschäftigungsanspruchs setzt Leistungs- und Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers voraus. Ist es einem Arbeitnehmer auf unabsehbare Zeit im Sinne des § 275 BGB unmöglich, seine geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, kann der Arbeitgeber ihn auch nicht beschäftigen.
17 Sa 1504/19 (05.03.2020)
Die Tätigkeiten als Beschäftigte in einer Serviceeinheit eines Gerichtes im Land Nordrhein-Westfalen stellen einen Arbeitsvorgang dar, da die anfallenden Aufgaben ganzheitlich zu bearbeiten sind. Innerhalb des Arbeitsvorgangs reicht es aus, dass schwierige Tätigkeiten in einem rechtlich nicht ganz unerheblichen Ausmaß anfallen (entgegen LAG Berlin-Brandenburg 12.02.2020 – 15 Sa 1261/19; 20.03.2020 – 15 Sa 1260/19).
6 Sa 1742/19 (04.03.2020)
1. Der Anwendungsbereich von § 7 Abs. 3 S. 4 BUrlG ist nur dann eröffnet, wenn der Arbeitgeber zuvor seinen Mitwirkungsobliegenheiten bei der Verwirklichung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers nachgekommen ist.
2. Ist arbeitsvertraglich ein Urlaubsanspruch von 30 Werktagen vereinbart, kann sich bei einer Fünftagewoche ein darüber hinausgehender Urlaubsanspruch aus betrieblicher Übung ergeben, so dass der Arbeitnehmer einen Urlaubsanspruch von insgesamt 30 Arbeitstagen hat.
14 Sa 485/19 (04.02.2020)
1. Zeitungszusteller haben Anspruch auf Zahlung eines Nachtarbeitszuschlages von 30 Prozent, wenn sie die Zeitungszustellung in Dauernachtarbeit erledigen.
2. Ob die Zustellung von Tageszeitungen notwendig und unvermeidbar während der Nachtzeit zu erfolgen hat, wirkt sich nicht auf die Bemessung des dem Arbeitnehmers geschuldeten Nachtzuschlags aus. Der Nachtarbeitszuschlag ist letztlich eine immaterielle Entschädigung für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Übernahme des Risikos gesundheitlicher Spätfolgen durch Nachtarbeit. Ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung von zwingender und vermeidbarer Nachtarbeit bei der Zuschlagshöhe ist nicht ersichtlich.
3. Ein Nachtzuschlag von 30 Prozent als angemessener Ausgleich im Sinne des § 6 Abs. 5 ArbZG verletzt die Presse und ihren Vertrieb nicht in ihrem Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Allein der Umstand des Vertriebs von Presseerzeugnissen entbindet nicht von der Verpflichtung zur Zahlung des allgemein angemessenen Zuschlags für Dauernachtarbeit.
4. Selbst wenn die Presse einem überragenden Gemeinwohlbelang dient, kann es schon generell nicht überzeugen, dass Arbeitnehmer einen geringeren Zuschlag erhalten sollen, weil sie eine Tätigkeit ausüben, die zwingend Nachtarbeit aus überragenden Gründen des Gemeinwohls erfordert. Zudem schützt das Grundrecht der Pressefreiheit nicht zwingend bestimmte Formen des Vertriebs dauerhaft vor auch auf wirtschaftlichen Gründen beruhenden Veränderungen.
14 Sa 1163/19 (28.01.2020)
1. Die Verwendung einer tabellarischen Form mit einer Aufzählung der dem Arbeitnehmer übertragenen Aufgaben sowie einer Auflistung der Beurteilungskriterien in den Bereichen Leistung und Verhalten und deren Bewertung unter Verwendung von Schulnoten in einem qualifizierten Zeugnis ist zulässig.
2. Will der Arbeitgeber bei den einzelnen Beurteilungskriterien eine unterdurchschnittliche Beurteilung abgeben, trägt er für deren Berechtigung die Darlegungs- und Beweislast.
3. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast, soweit er eine überdurchschnittliche (Gesamt)Beurteilung verlangt.
4. Zu weiteren Einzelpunkten einer Zeugniserteilung.
Revision bei dem Arbeitsgericht unter dem AZ: 9 AZR 262/20
6 Sa 1081/19 (29.01.2020)
Auch eine im Block erfolgende wiederkehrende, vollständige Freistellung für mehrere Monate im Jahr – hier von Mai bis Oktober – kann Gegenstand eines Verringerungsantrags gemäß § 8 TzBfG sein.
Die tarifvertragliche Arbeitszeit als solche stellt kein Organisationskonzept im Sinne einem Teilzeitverlangen entgegenstehender betrieblicher Belange dar.
6 Sa 1365/19 (22.01.2020)
- Die einseitig durch den Arbeitgeber erfolgende Anrechnung von Arbeitszeitguthaben während Nichteinsatzzeiten von Zeitarbeitnehmern verstößt gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG.
- Die einvernehmlich vereinbarte Anrechnung von Arbeitszeitguthaben während Nichteinsatzzeiten von Zeitarbeitnehmern verstößt nur dann nicht gegen § 11 Abs. 4 S. 2 AÜG, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zeitarbeitnehmer am Abbau seiner Plusstunden durch Freizeitausgleich gerade während der Nichteinsatzzeit interessiert ist.
14 Ta 8/20 (20.01.2020)
- Die Unterzeichnung des amtlichen Vordrucks für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Prozessbevollmächtigten der Partei anstatt der Partei selbst rechtfertigt nicht die Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe.
17 Sa 710/19 (16.01.2020)
Erfolgt auf Antrag des Beschäftigten eine Höhergruppierung nach § 29b I TVÜ-VKA, erfolgt die Stufenzuordnung nach §§ 29b II TVÜ-VKA, 17 IV TVöD-VKA in der bis zum 28.02.2017 geltenden Fassung betragsgleich. Es liegt keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Vergleich zu Arbeitnehmern vor, die ab 01.03.2017 höhergruppiert werden und deren Stufenzuordnung stufengleich erfolgt.
5 Ta 449/19 (15.01.2020)
- Sind die von der Partei zu zahlenden Raten fehlerhaft zu hoch festgesetzt worden, kann ein Zahlungsplan keine Fälligkeit der Raten bewirken. Mangels wirksamer Festsetzung entfällt die Zahlungspflicht für rückständige Raten.
7 TaBV 63/19 (14.01.2020)
Vor einer tariflichen Leistungsbeurteilung bei Schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten Beschäftigten ist die Schwerbehindertenvertretung gem. § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX zu beteiligen (Anschluss an LAG München, Beschluss vom 16.01.2017, 3 TaBV 95/16 juris).
5 Ta 7/20 (14.01.2020)
Allein der Umstand, dass das Formular zur Feststellung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Antragstellung nicht vom Antragsteller unterzeichnet war, begründet keine spätere Aufhebung der bewilligten Prozesskostenhilfe gem. § 124 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO.
4 Sa 668/19 (08.01.2020)
1. Der Arbeitgeber ist nach § 16 Abs. 1 Satz 3 ATV-K auch dann dazu berechtigt, den mit Wirkung zum 01.03.2016 neu eingeführten zusätzlichen Arbeitnehmerbeitrag nach § 15a ATV-K vom Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers einzubehalten, wenn er zuvor für einen längeren Zeitraum den Arbeitnehmeranteil an der Umlage zur Zusatzversorgung übernommen hat.
2. Wird einzelvertraglich hinsichtlich der dem Arbeitnehmer zugesagten Zusatzversorgung ein Träger der Zusatzversorgungskasse konkret benannt, wirkt dies regelmäßig nur deklaratorisch. Der Arbeitgeber ist dadurch nicht gehindert, nach einer Verlegung seines Sitzes einen Wechsel zum nunmehr örtlich zuständigen Träger der Zusatzversorgungskasse zu bewirken.
6 Sa 912/19 (11.12.2019)
- Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag, nach der 15 Überstunden mit dem Gehalt abgegolten sein sollen, verstößt nicht gegen §§ 305 ff. BGB.
- Bei überzahlter Arbeitsvergütung kann der Arbeitgeber nicht mit einer Bruttoforderung aufrechnen. Eine derartige Aufrechnung ist gem. § 394 S. 1 BGB unzulässig.
7 TaBV 57/19 (03.12.2019)
Beschäftigte, die auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages bei einer privat-rechtlich organisierten gemeinnützigen Arbeitsförderungsgesellschaft tätig sind und deren Beschäftigung gemäß § 16 i SGB II öffentlich gefördert wird, sind jedenfalls dann als Arbeitnehmer bei der Freistellung von Betriebsratsmitgliedern gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu berücksichtigen, wenn sich die Tätigkeit der Gesellschaft nicht auf die Vermittlung eines Personaleinsatzes bei Dritten beschränkt (Anschluss an BAG, Beschlüsse vom 05.10.2000, 1 ABR 14/00 und vom 13.10.2004, 7 ABR 6/04).
11 Sa 381/29 (28.11.2019)
Zulässige Befristung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG nF:
● keine Anwendung des § 191 BGB bei der Bestimmung der zulässigen Höchstbefristungsdauer (a. A. LAG Berlin-Brandenburg 16.08.2018 – 21 Sa 201/18 – n.rkr.)
● zu den Voraussetzungen der neuen Tatbestandsmerkmale:
- „zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen Qualifizierung erfolgt“ (§ 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG nF)
- „der angestrebten Qualifizierung angemessen(e)“ Befristungsdauer (§ 2 Abs. 1 Satz 3 WissZeitVG nF).
11 Sa 297/19 (07.11.2019)
- Eine gewerkschaftsangehörige Erzieherin mit staatlicher Anerkennung, die während ihrer Teilzeitbeschäftigung die zwei- bis sechsjährigen Kinder der Kindergartengruppe bei dem Frühstück begleitet und bei den nachfolgenden Gruppenangeboten betreut, erfüllt das Tätig-keitsmerkmal „Erzieherin mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit“ der Entgeltgruppe S 8a TVöD-VKA (Entgeltordnung VKA XXIV. Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst) und hat Anspruch auf eine entsprechende Vergütung.
- Die vertragliche Vereinbarung, die Erzieherin werde als Ergänzungskraft in Entgeltgruppe S 3 TVöD-VKA eingruppiert und entsprechend vergütet, ist angesichts der beidseitigen Tarifbindung unwirksam, § 4 Abs. 1, Abs. 3 TVG.
- Der Bejahung des Tätigkeitsmerkmals „Erzieherin mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit“ (S 8a TVöD-VKA) steht nicht entgegen, dass die Erzieherin weisungsgemäß keine Erziehungspläne erstellt, keine Beobachtungsbögen ausfüllt und auch keine pädagogischen Elterngespräche führt und innerhalb der Gruppe in einem Team arbeitet, in dem eine andere Erzieherin als Gruppenleiterin fungiert und eine weitere Erzieherin mit staatlicher Anerkennung tätig ist. Der verbleibende Tätigkeitsbereich erfüllt das Tätigkeitsmerkmal der „entsprechenden Tätigkeit“.
18 SaGa 49/19 (07.10.2019)
- Es bleibt offen, ob es bei angestellten Vertriebsmitarbeitern grundsätzlich geboten ist, die Vorschrift des § 90a Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB analog anzuwenden und die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots nur für den zugewiesenen Verkaufsbezirk oder den Kundenkreis zuzulassen. Ein weiterreichendes Tätigkeitsverbot dient jedenfalls dann dem berechtigten Interesse des Prinzipals, wenn der Außendienstmitarbeiter nicht nur durch das Ausnutzen persönlicher Kontakte in die Kundenbeziehungen einbrechen kann, sondern wenn er über die Kundenkontakte hinaus weitere Kenntnisse besitzt, an deren Verwertung bei der Konkurrenz der Prinzipal ein berechtigtes Interesse besitzt. Zu solchen Kenntnissen des Außendienstmitarbeiters zählen auch Kenntnisse über Preisspannen, Preisuntergrenzen und die Verkaufspräferenzen des Prinzipals.
- Das schützenswerte Interesse der Verfügungsklägerin lässt sich über die Vereinbarung einer Kundenschutzklausel nicht effektiv absichern, falls der Prinzipal nicht lediglich mit einem kleinen, gleichbleibenden Kreis von Großkunden Geschäfte tätigt, sondern mit einer Vielzahl von wechselnden Kunden. Dann müsste eine Kundenschutzklausel ständig neu gefasst und an den sich verändernden Kundenstamm angepasst werden. Das wäre unpraktikabel, stets von der Zustimmung des Handlungsgehilfen abhängig und daher für den Prinzipal unzumutbar.
5 Ta 253/19 (07.08.2019)
Erfolgt eine Beiordnung der Prozessbevollmächtigten im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches auch für den Mehrvergleich, so umfassen die der Prozessbevollmächtig-ten zu erstattenden Gebühren sämtliche im Zusammenhang mit einem Mehrver-gleich ausgelösten Gebühren.
Hierzu gehören auch die Differenzverfahrensgebühr sowie die Differenzterminsge-bühr, soweit die Voraussetzungen für deren Entstehen im Übrigen gegeben sind.
4 Sa 143/19 (24.07.2019)
- Im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung muss der Arbeitgeber diesem nach § 102 Abs. 1 BetrVG einen zugunsten des zu kündigenden Arbeitnehmers bestehenden Sonderkündigungsschutz mitteilen. Will der Arbeitgeber sich darauf berufen, dass er irrtümlich davon ausgegangen sei, dass Sonderkündigungsschutz nicht besteht, trägt er dafür die Darlegungs- und Beweislast.
- Die tatsächlichen Grundlagen für die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB müssen dem Betriebsrat ebenfalls mitgeteilt werden.
5 Sa 676/19 (24.07.2019)
Eine Belehrungspflicht des Arbeitgebers dahingehend, dass Urlaubsansprüche bei Nichtinanspruchnahme bis zum 31.12. des Kalenderjahres oder bis zum 31.03. des Folgejahres im Fall der Übertragung erlöschen, besteht bei einer langfristig erkrankten Arbeitnehmerin nicht; diese Pflicht besteht erst wieder nach Wiedergenesung bezogen auf die konkreten Ansprüche der Arbeitnehmerin.
11 Sa 19/19 (11.07.2019)
- Unwirksamkeit der Regelung im dritten Textabsatz („1“) des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010, welche die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren bei bis zu siebenmaliger Verlängerung vorsieht.
- Unwirksamkeit eines 2015 zur Geltungszeit des TV Befristung Steinkohlen-bergbau 2010 vereinbarten befristeten Arbeitsvertrags mit einer Gesamtlaufzeit von 3 Jahren und 10 Monaten und 1 Tag wegen Verstoßes gegen § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG (Ablösungswirkung des Änderungstarifvertrags aus 2010 (TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010): kein Rückgriff auf den TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 / kein „Wiederaufleben“ des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007).
- Ebenso bereits: LAG Hamm 14.02.2019 – 11 Sa 577/18 - , nicht rechtskräftig, anhängig BAG 7 AZR 118/19.
11 Sa 18/19 (11.07.2019)
- Unwirksamkeit der Regelung im dritten Textabsatz („1“) des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010, welche die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bis zur Gesamtdauer von sieben Jahren bei bis zu siebenmaliger Verlängerung vorsieht.
- Unwirksamkeit eines 2015 zur Geltungszeit des TV Befristung Steinkohlen-bergbau 2010 vereinbarten befristeten Arbeitsvertrags mit einer Gesamtlaufzeit von 3 Jahren und 10 Monaten und 1 Tag wegen Verstoßes gegen § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG (Ablösungswirkung des Änderungstarifvertrags aus 2010 (TV Befristung Steinkohlenbergbau 2010): kein Rückgriff auf den TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007 / kein „Wiederaufleben“ des TV Befristung Steinkohlenbergbau 2007).
- Ebenso bereits: LAG Hamm 14.02.2019 – 11 Sa 577/18 - , nicht rechtskräftig, anhängig BAG 7 AZR 118/19.
5 Sa 524/18 (13.02.2019)
- Eine Ausschlussfrist, die im Falle des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis die Geltendmachung in Textform spätestens einen Monat nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses vorsieht, verletzt nicht das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 3 GG.
- Eine tarifliche Ausschlussfrist, die die Geltendmachung des Mindestlohnes nicht ausdrücklich ausnimmt, ist insoweit unwirksam.
- Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung ist nicht mindestlohnwirksam im Sinne des § 3 Satz 1 MiLoG.
7 Ta 93/18 (04.06.2019)
Die Einigungsstelle ist jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig, wenn der Betriebsrat sich auf ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung beruft (Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 22.01.2015, 10 TaBV 1812/14 und 10 TaBV 2124/14).
14 Ta 204/19 (24.06.2019)
- Die Bewilligungsfähigkeit eines Prozesskostenhilfegesuchs liegt vor, wenn sich aus der Erklärung und den darin enthaltenen Angaben sowie den vorgelegten Unterlagen erkennen lässt, ob die Partei über ausreichendes Einkommen oder Vermögen verfügt, welches eine Beteiligung an den Prozesskosten ermöglicht. Allein die fehlende Angabe oder Begründung von Belastungen schließt die Bewilligungsfähigkeit nicht aus.
- Maßgebend für den Bewilligungszeitpunkt ist die Bewilligungsfähigkeit des Antrags, nicht die Antragstellung einerseits, die Entscheidungsreife nach – ggf. zu unterstellender – Anhörung des Gegners nach § 118 Absatz 1 Satz 1 ZPO andererseits.
- Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das gesamte Verfahren ist auch dann möglich, wenn das Gericht bei einer Säumnissituation im Termin auf die fehlende Bewilligungsfähigkeit wegen der fehlenden Erklärung nebst Belegen hinweist und sodann eine Frist zur Nachreichung derselben setzt, welche die Partei einhält.
14 Ta 566/18 (14.06.2019)
- Versäumt es eine Partei, bis zur Instanzbeendigung und dem Ablauf einer über das Ende der Instanz hinaus reichenden Frist (sog. Nachfrist) einen bewilligungsfähigen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vorzulegen, ist eine rückwirkende Prozesskostenhilfebewilligung grundsätzlich ausgeschlossen.
- Dies gilt im Falle der Gewährung einer Nachfrist nicht, wenn die Partei diese ohne Verschulden versäumt und sie auch kein Verschulden daran trifft, dass sie die voraussichtliche Nichteinhaltung der Frist ebenfalls nicht rechtzeitig vor Fristablauf mitgeteilt hat.
- Maßstab für ein fehlendes Verschulden ist dabei grundsätzlich derjenige des § 233 ZPO.
18 Sa 1196/18 (14.03.2019)
Ein Arbeitnehmer, der Samstagsarbeit im Rahmen von Schichtarbeit leistet, erhält kei-nen Zeitzuschlag für Samstagsarbeit nach § 14 Absatz 1 Satz 2 Buchstabe f TV AWO NRW. Das gilt auch dann, wenn ein Schichtarbeitszuschlag nach § 13 Absatz 2 Satz 2 TV AWO NRW für die geleistete Samstagsarbeit nicht gezahlt wird.
5 Ta 107/19 (04.06.2019)
- Die Wohnkosten einer Partei gemäß § 115 Absatz 1 Satz 3 Ziffer 3 ZPO sind in der tatsächlich bestehenden Höhe anzusetzen. Erst wenn ein auffälliges Missverhältnis der Wohnkosten zu den Lebensverhältnissen der Partei gegeben ist, sind die angemessenen Wohnkosten in entsprechender Anwendung der §§ 35 Absatz 2 SGB XII, 22 Absatz 2 SGB II zu ermitteln und dann ggf. fiktiv als Wohnkosten der Berechnung des verfügbaren Einkommens zugrunde zu legen. Ein auffälliges Missverhältnis kann erst bei Wohnkosten von 50 % und mehr des Nettoeinkommens einer Partei angenommen werden.
- Die Kosten für einen Autostellplatz/Garagenmiete sind grundsätzlich als im Freibetrag gemäß § 115 Absatz 1 Satz 3 Ziffer 2a) ZPO enthalten anzusehen.
14 Ta 172/19 (03.06.2019)
- Die Zahlungspflicht einer Partei setzt eine nach Grund und Höhe wirksame Ratenzahlungsanordnung voraus.
- Wird die vom Arbeitsgericht festgesetzte Rate im Beschwerdeverfahren vom Beschwerdegericht abgeändert, entfällt die Grundlage für eine Zahlungspflicht; sie wird auch nicht rückwirkend für die vom Beschwerdegericht festgesetzte Rate durch einen bereits vom Arbeitsgericht angeordneten Zahlungsbeginn begründet. Vielmehr ist ein neuer Zahlungsbeginn festzusetzen und ein neuer Zahlungsplan zu übermitteln.
14 Ta 56/19 (03.06.2019)
- Eine vollständige Abweisung der beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nur dann zulässig, wenn die erforderlichen Angaben und Unterlagen ganz fehlen oder so unvollständig sind, dass eine Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens nicht möglich ist.
- Allein der Umstand, dass nicht alle von der Partei behaupteten Belastungen vollständig belegt sind, kann für sich genommen nicht die Ablehnung der Prozesskostenhilfebewilligung rechtfertigen.
- Konnte bis zum Abschluss der Instanz oder bis zum Ablauf einer Nachfrist Prozesskostenhilfe nur insgesamt abschlägig beschieden werden, weil die erforderlichen Unterlagen nicht vorlagen oder nur eine abweisende Entscheidung – etwa gemäß § 115 Abs. 4 ZPO – rechtfertigten, kann eine solche Entscheidung nicht mehr durch Vorlage neuer oder ergänzender Belege abgeändert werden.
- Erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Anordnung von Ratenzahlungen, kann die Prozesskostenhilfepartei auch nach Beendigung der Instanz oder Ablauf einer Nachfrist noch im Beschwerdeverfahren Angaben ergänzen und Unterlagen vorlegen, die eine niedrigere Rate oder den Entfall der Ratenzahlung rechtfertigen.
5 Ta 195/19 (03.06.2019)
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung einer Kündigungsschutzklage entfällt nicht durch eine erklärte „Rücknahme der Kündigung“ durch den Arbeitgeber. Prozesskostenhilfe kann nicht wegen fehlender Erfolgsaussicht oder Mutwilligkeit versagt werden.
Eine Klage auf Erteilung eines qualifizierten Zwischen- oder Endzeugnisses i.S.d. § 109 Abs. 1 S. 3 GewO ist dann regelmäßig mutwillig, wenn dessen Erteilung vor Klageerhebung nicht außergerichtlich geltend gemacht wurde.
8 Sa 1027/18 (07.02.2019)
Bei nach § 6c Abs. 1 Satz 1 SGB II auf einen kommunalen Träger übergeleitenden Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit ist eine Kollision zwischen dem vertraglich in Bezug genommenen TV-BA und dem nach § 3 Abs. 1 TVG wegen Verbandsangehörigheit anwendbaren TVöD-V nach dem Günstigkeitsprinzip gemäß § 4 Abs. 3 TVG im Rahmen eines Gesamtvergleichs dahin aufzulösen, dass der TV-BA die für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer günstigere Regelung darstellt.
5 Sa 12/19 (08.05.2019)
Die wirksame Urlaubserteilung in der Kündigungsfrist ist bei unstreitig bestehendem Vergütungsanspruch auch dann gegeben, wenn die Zusage der Vergütung in der Freistellungserklärung nicht ausdrücklich wiederholt wird.
5 Sa 951/18 (23.01.2019)
Die Abgabe der Kürzungserklärung gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG ist auch vor der Erklärung der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers über die Inanspruchnahme von Elternzeit aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zulässig.
7 TaBV 49/18 (12.03.2019)
Entscheidet sich der Wahlvorstand zutreffend zur Übersendung von Briefwahlunterlagen, weil er gemäß § 24 Absatz WOBetrVG von der Abwesenheit der wahlberechtigten Arbeitnehmer (hier: Zeitungszusteller) vom Betriebssitz am Wahltage ausgeht, so muss er im Vorfeld das Wahlausschreiben so zeitig übersenden, dass ihnen eine Entscheidung über die aktive Wahlteilnahme möglich ist, wenn nicht sichergestellt ist, dass diesem Personenkreis das Wahlausschreiben überhaupt während der betriebsüblichen Arbeitszeit zugänglich ist. Andernfalls ist die Betriebsratswahl anfechtbar (Anschluss an LAG Hamburg vom 28.03.2007, 5 TaBV 2/07 und BAG vom 29.01.1992, 7 ABR 27/91 Rdnr. 41).
4 Sa 388/18 (21.11.2018)
Beschäftigt der Arbeitgeber nach Ausspruch einer Beendigungskündigung aufgrund einer entsprechenden erstinstanzlichen Verurteilung den Arbeitnehmer zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung vorläufig weiter und schließen die Parteien in zweiter Instanz einen Vergleich, der eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum vorgesehenen Kündigungstermin zum Inhalt hat, bestimmen sich Vergütungsansprüche des Arbeitsnehmers für die Zeit der tatsächlichen Weiterbeschäftigung grundsätzlich nach § 818 Absatz 2 BGB. Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und auf Feiertagsvergütung bestehen für diesen Zeitraum nicht (im Anschluss an BAG, Urteil vom 10.03.1987 – 8 AZR 146/84).
Der Arbeitgeber ist in einem solchen Fall aber in unionrechtskonformer Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes verpflichtet, Urlaubsentgelt nach § 11 Absatz 1 Satz 1 BUrlG zu zahlen (insoweit abweichend von BAG, Urteil vom 10.03.1987 – 8 AZR 146/84), weil auch die Weiterbeschäftigung zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung ein Arbeitsverhältnis im Sinne von Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung begründet.
Gewährt der Arbeitgeber einem zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung weiterbeschäftigten Arbeitnehmer in der betriebsüblichen Art und Weise Urlaub, ist er für den Zeitraum der Urlaubserteilung zur Zahlung von Urlaubsentgelt nach § 11 Absatz 1 Satz 1 BUrlG verpflichtet. Eine mit der Urlaubsgewährung erklärte Ankündigung, kein Urlaubsentgelt zahlen zu wollen, stellt eine unbeachtliche protestatio facto contraria dar (abweichend von BAG, Urteil vom 19.01.2016 – 2 AZR 449/15).
18 Sa 1728/17 (08.11.2018)
- Hinsichtlich des Vergleichsentgelts iSd. § 2 Absatz 4 Satz 1 TV BZ ME ist auf die Arbeitnehmer abzustellen, die die gleiche Tätigkeit wie der Leiharbeitnehmer ausüben und zeitnah zum streitgegenständlichen Zeitraum von der Entleiherin eingestellt wurden.
- Bei der Vorschrift des § 2 Absatz 4 TV BZ ME handelt es um eine Einwendung des Verleihers gegen den Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Zahlung des Branchenzuschlages. Für die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Einwendung, insbesondere die Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer und die Höhe des Vergleichsentgelts, ist der Verleiher darlegungs- und beweispflichtig.
- Im Hinblick auf die Höhe des Entgelts genügt der Verleiher seiner Darlegungspflicht durch Bezugnahme auf eine Auskunft des Entleihers, sofern dieser Verdienstbescheinigungen vergleichbarer Arbeitnehmer vorlegt. Es obliegt dann im Rahmen der abgestuften Darlegungslast dem Arbeitgeber, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art und Weise zu bestreiten. Trägt er nicht vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gilt der Inhalt der vorgelegten Auskunft als zugestanden.
- § 2 Absatz 4 Satz 2 TV BZ ME ordnet an, dass bei der Feststellung des Vergleichsentgelts im Kundenbetrieb das Äquivalent einer durchschnittlichen Leistungszulage der Branche unberücksichtigt bleibt. Es kommt nicht darauf an, ob im Kundenbetrieb eine (tarifliche) Leistungszulage tatsächlich gezahlt wird.
- Nach der Protokollnotiz Nr. 3 zum TV BZ ME vom 7. September 2012 ist im Einzelfall eine Beschränkung des Branchenzuschlags möglich, wenn der Kundenbetrieb eine entsprechende Deckelung geltend macht. Die Beschränkung des Branchenzuschlages nach § 2 Absatz 4 Satz 1 TV BZ ME kann auch konkludent geltend gemacht werden, insbesondere durch eine Aufstellung von Zahlen zum Vergleichsentgelt.
- Es bleibt offen, ob der Entleiher, um Ansprüche auf Zahlung eines Branchenzuschlags gemäß § 2 Absatz 4 TV BZ ME „deckeln“ zu können, eine darauf gerichtete Erklärung abgeben muss, bevor der Leiharbeitnehmer die Ansprüche auf Zahlung des Branchenzuschlags eingefordert hat oder schon bevor die Ansprüche auf Zahlung des Branchenzuschlags fällig sind. Offen bleibt auch, ob die Erklärung des Entleihers dem Arbeitnehmer zugleich zur Kenntnis gebracht werden muss.